Nea Kavala‚ Tag sechs, Dienstag, 14. August 2018

Mein Terminplan heute

Englisch für Frauen
Wäscherei
Gartenprojekt

Ein Freund hat mich gebeten, das Leben im Camp und die Zukunftsperspektiven der Menschen hier zu beschreiben.

Das Flüchtlingscamp kann man sich wie ein kleines Dorf vorstellen.

Auf einem aufgrund ungünstiger Winde nie in Betrieb genommenen Flughafenrollfeld stehen derzeit etwa 160 Container, in denen jeweils vier bis sechs Personen zusammenleben. Eingerichtet sind die Container mit Schlafplätzen und einer Kochstelle.

Rollfeld Nea Kavala
Foto: Andrea Koltermann

Vor einigen Wochen wurde das Lager um ein großes Zelt ergänzt. Die einzelnen Wohneinheiten sind in Parzellen abgetrennt. Kochstellen gibt es hier nicht. Im Flüchtlingscamp in Nea Kavala leben zur Zeit etwa 750 Personen.

Armeezelt
Foto: Andrea Koltermann

Während ich im Camp ein paar Fotos von der Morgenstimmung mache, spricht ein Mann aus dem Irak mich an. Er erzählt mir, wie schwer es sei, im Camp zu leben. Es sei trostlos hier und die medizinische Versorgung sehr schlecht. Er zeigt mir viele entzündete Mückenstiche an seinen Armen. Seit mehr als zwei Jahren warte er bereits auf seine Papiere, die ihm ermöglichten, das Camp zu verlassen.
Wenn ich wüsste wie, dann würde ich ihm helfen.

Syrische Künstler haben die Fronten der Dusch- und Toilettengebäude angemalt, um ein bisschen Farbe in die triste Welt des Flüchtlingscamps zu bringen.

Waschräume
Foto: Andrea Koltermann

Ich werfe einen Blick in eines der Duschgebäude. Diese werden regelmäßig gründlich gereinigt, sind aber ziemlich schäbig. Die Wasserhähne wackeln und sämtliche Abflussrohre sind undicht. An einer Spüle fehlt das Abflussrohr ganz, sodass das Wasser einfach auf den Boden läuft.

Ein Installateur hätte hier eine Menge zu tun, aber ich habe nie jemanden daran arbeiten sehen. Ich vermute, dass sich niemand dafür zuständig fühlt, dies zu organisieren oder dass schlichtweg das Geld dafür fehlt.

Vielleicht liegt es auch daran, dass das 2015 errichtete Camp nur als Notlösung und nicht für die Dauer gedacht war.

Vermutlich ist auch wegen dieses temporären Gedankens keine einzige Blume im Lager angepflanzt worden.

Women's Space, English class
Foto: Andrea Koltermann

Heute arbeite ich zum zweiten Mal im Womens’s Space. Englisch-Anfängerkurse nur für Frauen werden an sechs Tagen pro Woche angeboten. Die Kurse für die Fortgeschrittenen finden in gemischten Gruppen statt. Leider werden diese nur von wenigen Frauen besucht, da die Männer ihren Frauen den Besuch gemischter Veranstaltungen oft nicht erlauben.

„Ich liebe den Englischunterricht im Women’s Space.“

Am Nachmittag arbeite ich wieder in der Wäscherei. Dies ist einer meiner Lieblingsjobs hier in Nea Kavala. Wie in den vergangenen Tagen kommen immer wieder Leute, vor allem junge Männer zu uns, um sich mit mir und meinen Volunteer-KollegInnen zu unterhalten. Ein junger Syrer versucht über eine Übersetzungs-App in seinem Smartphone mit uns zu kommunizieren. Die Idee finde ich gut, aber die Übersetzungen ergeben oft keinen Sinn.

Treffpunkt Laundry
Foto: Andrea Koltermann

Die klassische Kommunikation mit den Menschen, die wir hier kennenlernen beginnt meist mit Smaltalk. Wie geht es dir? Gut! Und dir? Gut! Wo kommst du her? Wie lange bist du schon hier?

Wenn man die Menschen etwas besser kennt und man eine gemeinsame Sprache zum Beispiel Englisch oder Französisch spricht, dann erzählen die Menschen gern von ihren Familien. Ich erzähle dann auch von meinen beiden erwachsenen Kindern und mir wird jedes Mal wieder bewusst, wie ungerecht es in dieser Welt zugeht.

Ein junger Mann setzt sich neben mich und bittet mich, ihm bei seinen Englisch-Hausaufgaben zu helfen. Die Aussprache richtig zu lernen ist ihm sehr wichtig.

Allmählich fange ich an, die Menschen hier sehr ins Herz zu schließen. Alle sind so herzlich. Es leben viele Kinder hier und sehr viele junge Männer im Alter meines Sohnes.

Hausaufgaben
Foto: Andrea Koltermann

Ich bin mir sicher, dass viele der jungen Männer in Deutschland eine Arbeit finden würden, wenn sie ein Visum hätten. Sie sind alle sehr freundlich, motiviert, haben Zukunftspläne, aber derzeit kaum eine Chance ihrer Situation zu entkommen.

Die großen Unterschiede zwischen den jungen Menschen hier und meinen eigenen Kindern ist, dass meine in Deutschland eine sichere Kindheit hatten und jetzt ihren Lebensweg selbst bestimmen können.

Sibirische Winde sorgen für eiskalte Winter in Griechenland. Unzählige neu auf den Inseln ankommende Flüchtlinge brauchen dringend warme Decken. Bereits 1000 Decken konnten diesen Herbst schon durch Spenden auf folgendes Konto gekauft werden:

 https://www.facebook.com/donate/1959933580764422/10217188784373006/

Nea Kavala‚ Tag fünf, Montag, 13. August 2018

Mein Terminplan heute

Englisch für Frauen
Gartenprojekt

Heute helfe ich bei We Are Here aus, einer mit Dråpen i Havet kooperierenden Organisation, die ebenfalls in Nea Kavala tätig ist.

Women’s Space, Foto Andrea Koltermann

Es werden Englischkurse für Frauen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden angeboten. Meine Aufgabe ist es, den besonders schwachen Schülerinnen beim Ausfüllen ihrer Arbeitsblätter und vor allem beim Üben der Aussprache zu helfen.

Foto: Andrea Koltermann

Zweiundzwanzig Frauen und junge Mädchen haben eine Menge Spaß. Wir üben Begrüßungen, Wochentage, Zahlen und das Alphabet. Englisch zu lernen ist eine große Herausforderung für Menschen aus arabischen Kulturen. Das habe ich vor einigen Tagen verstanden, als ein junger Mann versucht hatte, mir die Wochentage in seiner Sprache beizubringen. Geschrieben wird von rechts nach links und die Zeichen sehen vollkommen anders aus als unsere Buchstaben. Die Woche beginnt mit dem Sonntag und die Tage werden von Tag Eins bis Tag Sieben (Yoom assabt) hochgezählt.

Wochentage auf Arabisch
Foto: Andrea Koltermann

 Ich freue mich, die Frauen, die sonst eher zurückhaltend und schüchtern sind, hier im Women’s Space so entspannt und fröhlich anzutreffen. Hier haben Männer, die in vielen Familien für die Kommunikation außerhalb der Famillien zuständig sind, keinen Zutritt. Deshalb legen die meisten muslimischen Frauen ihre Schleier ab, es wird viel gelacht und sogar Babys werden während des Unterrichts gestillt. Später an diesem Tag treffe ich einige der Frauen wieder. Sie begrüßen mich freudig mit einem „Hello teacher!“
Ich freue mich schon auf die kommenden Unterrichtsstunden.

Garten Projekt 1
Foto: Andrea Koltermann

Am Abend steht das Gartenprojekt im Children’s Friendly Space an. Jetzt ist es nicht mehr so heiß und die Kinder kommen aus ihren Häusern und Zelten. Viele Kinder lernen hier erst einmal mit Wasser, Sand, Schaufel und Eimer zu spielen. Im Krieg und auf der Flucht hatten viele Kinder nicht die Chance zu spielen, wie unsere Kinder es gewöhnlich tun.

Gemeinsam etwas tun, buddeln, mit Wasser matschen, spielen, das ist eine spaßige Art miteinander zu kommunizieren, auch wenn man keine gemeinsame Sprache spricht.

Eine Ernte aus diesem Garten erwarten wir in diesem Sommer nicht. Das wichtigste ist, dass sowohl Kinder als auch Eltern und Volunteers hier ihren Spaß haben.

Foto: Andrea Koltermann

Die Kinder möchten ihre Kleidung nicht schmutzig machen. Ich auch nicht! 🙂

Es ist so schön, die positive Energie vieler Kinder und Erwachsener hier mitzuerleben! (S.L., Volunteer aus Norwegen)

Kinder in arabischen Kulturen

In einem arabischen Land aufzuwachsen unterscheidet sich sehr von dem, was Kinder in unseren westlichen Ländern erleben. Oft leben Großfamilien mit vielen Generationen zusammen und Großeltern oder ältere Geschwister übernehmen die Erziehung der kleineren Kinder.
Vier oder mehr Kinder zu haben ist nicht ungewöhnlich. In vielen Familien sind die Männer ca. 10 oder sogar 15 Jahre älter als ihre Frauen, die oft schon sehr früh ihre ersten Kinder bekommen. Selbst sehr kleine Kinder spielen den ganzen Tag draußen. Wenn einem Kind etwas passiert, kümmern sich alle anwesenden Personen darum. Die Gemeinschaft sorgt füreinander. Außerhalb ihres gewohnten Umfeldes ist die Kindererziehung für viele Eltern eine große Herausforderung.

Noch ist es warm in Griechenland. Doch schon bald werden sibirische Winde  eiskalte Winter ins Land bringen. Unzählige neu auf den Inseln ankommende Flüchtlinge brauchen dringend warme Decken. Bereits 1000 Decken konnten diesen Herbst schon durch Spenden auf folgendes Konto gekauft und nach Lesbos geliefert werden:

 https://www.facebook.com/donate/1959933580764422/10217188784373006/

Meine Vorbereitungen, Juli 2018

Es wird konkret

Meine Tochter ist aus ihrem Mallorca-Urlaub zurückgekommen. Auf meine Ankündigung hin, dass ich mich in einem Flüchtlingslager engagieren möchte, reagiert sie mit folgenden Worten: „Das wolltest du ja schon immer machen!“

Mithilfe einer Bekannten finde ich die Organisation Dråpen I Havet, eine international arbeitende Organisation mit Sitz in Norwegen und melde mich dort als Volunteer an.

www.drapenihavet.no

Mein Sohn kommt zu Besuch. Auf meine Ankündigung, dass ich in einem Auffanglager für Flüchtlinge arbeiten werde, reagiert er genauso gelassen, als hätte ich ihm erzählt, ich müsse noch zum Bäcker.

Bevor es losgeht, heißt es für mich, meine Reserven aufzutanken. Wir haben zwei Wochen Familienurlaub auf dem Naturcampingplatz auf Terschelling gebucht. Ohne Strom aber mit fließendem Wasser, direkt am Wald und nur zwei Kilometer vom Meer entfernt.

Meine ToDo-Liste

  • Ein Flüchtlingscamp auswählen
  • Flug und Hotel buchen
  • Eine Webseite für meinen Blog einrichten
  • Meine Mutter besuchen und ihr von meinem Vorhaben berichten
  • Seminartermine mit meinen wichtigsten Kunden vereinbaren

Meine Pläne, Juni 2018

Zeit für Neues

Für mich ist es an der Zeit, etwas Neues zu tun, etwas zu tun, was ich schon lange gerne tun möchte. Lange habe ich mein Leben nach den Bedürfnissen meiner Familie geplant, nach dem Tagesablauf meiner Kinder, die ich über alles liebe. Und das habe ich sehr gerne gemacht. Jetzt sind diese groß und gehen ihre eigenen Wege.

„Frauen eine Stimme geben“. Unter diesem Titel habe ich in diesem Jahr einige Workshops gehalten. Auch nachdem in unserem Land Frauen seit 100 Jahren ein Stimmrecht haben, ist gehört und verstanden werden für Frauen immer noch enorm wichtig.

Für wen kann dieses Thema „Eine Stimme haben“ noch wichtig sein, überlege ich während der Vorbereitung eines Vortrages, vielleicht sogar noch viel wichtiger als für die Frauen in unserem Land?

Karte Herkunftsländer
Foto: Andrea Koltermann

Immer wieder bin ich entsetzt, verärgert und aufgewühlt durch aktuelle politische Ereignisse in Europa.

Wie geht es denn den Frauen, die auf der Flucht sind, werden sie gehört und verstanden? Interessiert das überhaupt jemanden auf dieser Welt. Kommen sie nicht sowieso schon oft aus Ländern, in denen Frauen viel weniger zu sagen haben als bei uns? Schnell habe ich mir meine Frage selbst beantwortet. „besonders benachteiligten Frauen und Mädchen eine Stimme geben“ das wird das Motto meines neuen Projektes sein.

Als Logopädin hatte ich 25 Jahre lang oft mit Menschen zu tun, die nicht sprechen konnten. Menschen, die gehört und verstanden werden wollen, buchen mich heute als Sprech- und Stimmcoach.

Andrea und Rainer
Foto: Andrea Koltermann

Heute habe ich meinem Mann Rainer erklärt, dass ich für einige Wochen verreisen werde. Mein Sohn studiert bereits und meine Tochter ist kurz davor.

Mein Mann scheint wenig überrascht zu sein, mitkommen möchte er nicht, aber solange ich nicht in ein Kriegsgebiet reisen will, unterstützt er meine Idee. Davon abhalten würde er mich sowieso nicht. Nach mehr als 25 Jahren mit mir und meinen Ideen weiß er, dass das vollkommen sinnlos wäre.

Meine ToDo-Liste

  • Eine Organisation suchen, die Flüchtlingsprojekte betreut
  • Einen Termin für meine Reise wählen
  • Meine Seminare für die zweite Jahreshälfte planen

Aufbruch zu neuen Ufern

„Why do people leave homes, their friends, their jobs and everything behind and risk their own lives and those of their children?“

Unzählige Menschen brechen zu neuen Ufern auf. Oft tun sie das unfreiwillig, ohne zu wissen, was sie erwartet, einfach nur, um überleben zu können.

Schiff im Hafen
Foto: Andrea Koltermann

Andere Menschen spüren, dass sie etwas im Leben ändern wollen, ohne einer lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt zu sein. Sie spüren etwas, haben eine Vision oder hören auf einen Ruf und machen sich dann auf den Weg.