Nea Kavala – 15 Tage im Flüchtlingscamp – ein Erfahrungsbericht

Wegweiser im Camp
Foto: Andrea Koltermann

Erfahrungsbericht zum Download
https://andrea-koltermann.de/wp-content/uploads/2019/01/Nea-Kavala-15-Tage-im-Flüchtlingscamp-ein-Erfahrungsbericht.pdf

Mit geflüchteten Menschen arbeiten – Volunteer werden – wie geht das?

Wie hast du das gemacht?
Was hat dich überhaupt auf diese Idee gebracht?
Ist das nicht gefährlich in der Flüchtlingshilfe zu arbeiten?
Würdest du wieder in einem Flüchtlingscamp arbeiten?

Viele meiner Freunde haben mich das gefragt. Sogar die lokale Presse hat mich nach meinem Aufenthalt in Nea Kavala zu Interviews eingeladen.

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Foto: Isabel Sevé

Anzusehen, wie viele Menschen unverschuldet aus ihrer Heimat fliehen müssen, bewegt mich schon seit vielen Jahren. Letztes Jahr war für mich der richtige Zeitpunkt gekommen, selbst aktiv zu werden.

Sicher kann Flüchtlingshilfe auch gefährlich sein. Wenn ich selbst mit einem Schlauchboot aufs offene Meer hinausfahre, um dort Menschen aus dem Wasser zu ziehen, dann erscheint mir das sogar extrem lebensgefährlich.

In diese Gefahr wollte ich mich nicht begeben. Nachdem ich mich vorab gründlich informiert hatte, habe ich mich für die norwegische Hilfsorganisation Dråpen i Havet entscheiden. Aufgebaut und geführt von Volunteers aus aller Herren Länder, die komplett unentgeltlich arbeiten, ist diese NGO seit vielen Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv. Die Sicherheit der Volunteers wird hier extrem großgeschrieben.

Meine Erlebnisse, die ich als positiv und doch oft frustrierend zugleich bewerte, habe ich in meinem blog beschreiben.
Ja, ich spiele mit dem Gedanken, auch in diesem oder in einem der kommenden Jahre weiter in der Flüchtlingshilfe zu arbeiten.

Was muss ich beachten, wenn ich Volunteer werden möchte?

Was unerfahrene hilfewillige Menschen vermeiden sollten, ist ganz allein auf Hilfstour zu gehen. Wer sich einer NGO anschließt, ist vielleicht in seiner Hilfsdienstleistung weniger flexibel als jemand, der Ziele und Inhalte seiner Arbeit selbst bestimmt, kann sich aber darauf verlassen, dass seine Sicherheit gewährleistet ist.

Foto: Isabel Sevé

Die meisten Flüchtlingscamps befinden sich auf militärischem Sperrgebiet und dürfen ohne Genehmigung nicht betreten werden. In Nea Kavala sind die für NGOs tätigen Volunteers verpflichtet, eine Plakette sichtbar an der Kleidung zu tragen.

Ist das nicht gefährlich in der Flüchtlingshilfe zu arbeiten?

Um sich als Helfer nicht unnötig in Gefahr zu bringen, sollte man folgende Regeln beachten:

Der Transport von Menschen, die keine gültige Aufenthaltsgenehmigung besitzen ist strafbar und kann zu Gefängnisaufenthalten wegen Menschenschmuggelei führen.

Konflikte innerhalb eines Camps sind aufgrund der unterschiedlichsten Herkunfts- und Lebenssituationen der Camp-Bewohner immer denkbar. Es ist sinnvoll, die vor Ort für solche Fälle geltenden Regeln zu kennen und sich daran zu halten.

Geflüchtete Menschen haben Kriegssituationen, Gewalt und große Gefahr erlebt. Manchmal brauchen sie Zeit, um Fremden gegenüber Vertrauen aufbauen zu können.

Die Gefahr ansteckender Krankheiten ist aufgrund der Hygienebedingen, denen die Camp-Bewohner ausgesetzt waren oder sind unbedingt ernst zu nehmen.

In einem Camp kursierende Krankheiten, auch solche wie HIV oder Hepatitis sind ernst zu nehmen. Vor Körperkontakt, vor allem sexuellem Kontakt zu Camp-Bewohnern ist dringend abzuraten. Auch zu den Kindern sollte aus beiderseitigem Interesse eine angemessene Distanz bewahrt werden.

Ebenfalls zu beachten sind die zahlreichen herrenlosen Tiere, die in den Camps leben und in der Regel weder geimpft noch entwurmt sind.

Vor Antritt der Volunteer-Tätigkeit sollte man sich entscheiden, ob man z.B. über Facebook mit Camp-Bewohnern vernetzen möchte und wenn ja, welchem Zweck das dienlich sein soll.

Für alle Fotos, auf denen Menschen aus dem Camp oder deren Eigentum zu erkennen sind, wird eine schriftliche Einverständniserklärung dieser Personen benötigt.

Bitte achtet darauf, Kleidung zu tragen, die Knie und Schultern bedeckt halten.

Zur Sicherheit solltet ihr immer mobil erreichbar zu sein bzw. jemanden erreichen zu können.

Welche Möglichkeiten habe ich konkret, um Hilfe zu leisten?

Die Antworten auf folgende Fragen können dir für deine Entscheidungsfindung, aber auch für die Bewerbung bei einer NGO von Nutzen sein:

  • Was motiviert dich, als Volunteer zu arbeiten?
  • Wo willst du hin? Was sind deine persönlichen Ziele?
  • Wer bist du, beschreib dich kurz!
  • Was ist dir wichtig?
  • Was kannst du richtig gut?
  • Wie glaubst du, den Flüchtlingen helfen zu können?
  • Wann und wo kannst du helfen?

Deine ToDos, wenn du dich entschieden hast, als Volunteer zu arbeiten:

  • Eine Organisation suchen, die Flüchtlingsprojekte betreut
  • Einen Termin für die Reise wählen
  • Einige freie Tage nach der Reise einplanen, um die Akklimatisierung zu gewährleisten
  • Ein Flüchtlingscamp auswählen
  • Anreise und Quartier buchen
  • Überlegen, ob du Öffentlichkeitsarbeit z.B. durch das Schreiben eines Blogs leisten willst
  • Erkundigen, was ggf. vor Ort gerade besonders dringend benötigt wird

Was tun, wenn ich Geld oder z.B. Kleidung spenden möchte?

Geldspenden werden immer benötigt. Am einfachsten ist es, Mitglied bei einer Hilfsorganisation zu werden oder die Spendenkampagnen ehemaliger Volunteers zu unterstützen. Auf meiner Facebookseite teile ich diese regelmäßig.

Kleidung
Foto: Andrea Koltermann

Kleidung, vor allem Schuhe, aber auch Decken und Schlafsäcke können per Post direkt an Adressen vor Ort geschickt werden. Auf Anfrage geben die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen diese gern weiter.

Bei sämtlichen Fragen kannst du mich auch gern persönlich kontaktieren.

Spendenaufruf
Foto: Andrea Koltermann

Herzlichen Dank für dein Interesse daran, Menschen in Not zu unterstützen.

Andrea Koltermann
Volunteer Dråpen i Havet August 2018

Nea Kavala – Rückblick

People on the Move – Menschen in Bewegung

Wie geht es weiter?

Viereinhalb Monate sind jetzt vergangen seit meinem Aufenthalt in Nea Kavala. Im Herzen bin ich immer noch bei den Menschen, im Lager, im Sommer in der Hitze. Die Kinder hatten Sommerferien. Vor allem an den späten Nachmittagen, wenn etwas kühler wurde, spielte sich das Leben der Menschen im Freien ab. Sie machten das Beste aus ihrer Situation.

Inzwischen ist das große Zelt, in dem im vergangenen Sommer noch zahlreiche Familien gelebt haben, der Witterung zum Opfer gefallen.

Zelt nach Sturm
Foto: Dråpen i Havet

Jetzt ist dort Winter. Es liegt Schnee, die Menschen müssen damit rechnen, dass die Wasserleitungen einfrieren und füllen zur Sicherheit Wasser in Plastikflaschen ab. In den Containern ist es oft ungemütlich und kalt. An Wochenenden fällt manchmal die Heizung aus und die Bewohner müssen warten, bis am darauffolgenden Montag Diesel für die Stromgeneratoren nachgetankt werden kann.

Die meisten der geflüchteten Menschen haben kein Geld zur Verfügung. Ihre Besitztümer mussten sie in ihren Heimatländern zurücklassen und arbeiten dürfen sie ohne Aufenthaltsgenehmigung nicht.

Noch immer verarbeite ich das, was ich im Camp erlebt habe, in Träumen und in Bildern, die ich male.

Stacheldraht
Foto: Andrea Koltermann

Wie es den Menschen wohl geht, frage ich mich. Wir feiern hier bei uns in Deutschland Weihnachten und Silvester mit Verwandten und Freunden. Wir kaufen Geschenke, steigen ins Auto, übernachten dort. Dies alles ist für uns so selbstverständlich.

Geflüchtete Menschen, die 2015 noch eine Sensation in den Medien darstellten, geraten mehr und mehr in Vergessenheit. Wer interessiert sich noch für sie? Wer hört ihnen zu? Niemand ist wirklich bereit oder in der Lage, ihnen zu helfen.

Ich muss an den jungen Vater denken, der mir geschrieben hat, wie schmerzlich er seine Frau und seine beiden Töchter vermisst. Er hat seine Familie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen, Weihnachten und Silvester musste er ohne sie verbringen.

Mein Dank gilt den vielen Menschen, die in den vergangenen Monaten die von mir geteilten Spendenaktionen unterstützt oder geteilt haben. Wer helfen möchte, ob finanziell, mit Sachspenden oder vor Ort direkt, wende sich gern zwecks näherer Informationen an Dråpen i Havet oder an mich.

Wie muss es sein, weniger als das Nötigste mitnehmen zu können und nicht zu wissen, wohin eine Reise geht?

Immer bin ich schon gern als Rucksack- oder Fahrradtouristin mit Minimalgepäck unterwegs gewesen. Immer waren das die Erfahrungen gewesen, die mir im Leben am meisten gegeben haben. Doch immer bin ich nach wenigen Wochen in meine vertraute sichere Welt des für uns so normalen Luxuslebens zurückgekehrt.

Ich spiele mit dem Gedanken, den Begriff, das Nötigste mitnehmen einmal neu zu definieren. Wie wäre es, das einmal richtig auszuprobieren, als Selbsterfahrung?

Mit der Wegwerf-Luxus-Welt-Mentalität in unserem Land habe ich ja schon immer gehadert.

Nea Kavala‚ day fifteen, Thursday, 23th of August 2018, my last day

My schedule today:

Women’s Space, English class
Final meeting with coordinator Molly
Going back to Germany

My last English lessons at the Women’s Space.

Englischunterricht
Foto: Andrea Koltermann

I feel happy and sad at the same time. I feel as if my stay had just started and I also feel like I had been here for month.

I’ve got so many ideas about things that could be done here.

Molly und ich
Foto: Andrea Koltermann

I have my final meeting with Molly. Further communication with other Dråpen i Havet volunteers will take place in an after-stay Facebook group.

I talked to them, I worked with them, I played with them, I danced and laughed and cried with them, I listend to them telling about their lives, their problems, their fears and their future plans. I taught them a little bit English and German, they showed me a little bit of their way of life, I showed them a little bit of my way of life.
But do I realy know what it means to be a refugee? Of course, I don’t and I would never do.

Arme
Foto: Andrea Koltermann

Good bye everyone!

Flughafen Makedonia
Foto: Andrea Koltermann

Airport Makadonia, Thessaloniki

Nea Kavala‚ day fourteen, Wednesday, 22th of August 2018

My schedule today:

Women’s space, English class
Check out market
Gardening

A small boy who had told us a few days ago that he would move alone to Belgium to live with his uncle and aunt the following day. Now he is still at the camp. He tells me that he was only waiting for his passport, and then he would have to leave. But it was not really sure if he would leave. He seemed to be sad. The boy speaks a little bit English but no French. I ask him if he’d know his uncle and aunt, but he didn’t understand my question.

Spielplatz
Foto: Andrea Koltermann

In the big community area there is a fire drill practiced by the military and the fire brigade. They make a fire in a grill and everybody who wants can try out the powder fire extinguisher. The children have a lot of fun. I ‘m happy to see this. I know that the people are very afraid of fire. Losing their homes again for them would mean to lose everything they have for another time.

Commuinty Space
Foto: Andrea Koltermann

I meet the mother and daughter whom I visited the day before again at the English class. They try their very best to speak and write in English, and they make fantastic progress.

Today is my second to the last day at Nea Kavala. I have my lunch break. A young man from Syria comes to sit down with me at the community space. You can clearly see, he isn’t going very well. He shows me some strange scarring’s on his arms and legs. As much as I understand those were caused by torture of his imprisonment for one year. He had pains but here at camp there wouldn’t be a doctor to care for him. He tells me in his cracked English that he has been here for five weeks now after he was imprisoned for one year.

Will the people at Nea Kavala ever get any chance in their live? Will they get the possibility to start a new life somewhere else. Or will they be refugees without any home? Will Nea Kavala turn into a long-term camp for people without any other perspectives? That is not the idea of Nea Kavala, but could this get possible? Will the people get used to live here?

Herrenfriseur
Foto: Andrea Koltermann

Some refugees already started to run their own business at the camp.

Gartenprojekt
Foto: Andrea Koltermann

My last gardening evening.
I see a small boy playing with a toy-machine gun. I’m startled. First he appeals to something else, later he directs it towards the other playing children. His mother gave it to him. Nobodys shows any reaction. This seems to be normal over here.

Menschen
Foto: Andrea Koltermann

I’ll miss the children and their parents.

Taube
Foto: Andrea Koltermann

Living at a camp like Nea Kavala gives people the chance to feel safe for the first time after many years making experiences of war and violence.
But how long?