Meine Geburtstags-Spendenaktion für Dråpen i Havet

Anlässlich meines Geburtstags im März sammle ich Spenden für Dråpen i Havet. Mit dieser gemeinnützigen Organisation habe ich selbst letzen Sommer in einem Flüchtlingscamp in Nea Kavala gearbeitet.
Die Organisation versorgt Menschen u. A. mit
– Kleidung
– Schuhen
– warmen Decken für den Winter
– frischen Lebensmitteln
und bietet den 750 Camp-Bewohnern die Möglichkeit, alle zwei Wochen eine Waschmaschine zu nutzen.

https://www.facebook.com/donate/357888411464137/

Weiteres habe ich in den letzten Monaten in diesem Blog beschrieben.
Die Not ist nach wie vor groß und die Perspektiven unklar. In den letzten Monaten ist ein großes Armeezelt komplett der Witterung zum Opfer gefallen und zwei der Wohn-Container sind bis auf das Alugestell ausgebrannt.

Ich freue mich, wenn ihr die gute Arbeit vor Ort unterstützt.

Liebe Grüße und ganz herzlichen Dank im Namen vieler Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind.

Andrea

Nea Kavala – 15 Tage im Flüchtlingscamp – ein Erfahrungsbericht

Wegweiser im Camp
Foto: Andrea Koltermann

Erfahrungsbericht zum Download
https://andrea-koltermann.de/wp-content/uploads/2019/01/Nea-Kavala-15-Tage-im-Flüchtlingscamp-ein-Erfahrungsbericht.pdf

Nea Kavala‚ Tag elf, Sonntag, 19. August 2018

Freier Tag

Konflikte bewältigen – wenn man verschiedene Sprachen spricht. Geht das überhaupt?

Nicht nur im Camp werden die unterschiedlichsten Sprachen gesprochen. Auch die Volunteers kommen aus vielen verschiedenen Ländern. Meistens sprechen wir Englisch miteinander. Zu Beginn hatte ich große Schwierigkeiten, die unterschiedlichen Varianten des muttersprachlichen Englisch überhaupt zu verstehen. Auch mein Wortschatz reicht oft nicht aus, um das auszudrücken, was ich mitteilen möchte.

Um Geld zu sparen wollen eine Kollegin und ich uns ein großes Haus in einem großen am Rande der Welt gelegenen Dorf teilen, ohne Lebensmitteladen und ohne Restaurant. Da es dort nichts gibt und unsere Mitbewohnerin mit dem Mietwagen erst am folgenden Nachmittag zu uns stoßen wird, müssen wir uns auf den Aufenthalt dort vorbereiten. Wir kennen das Haus nicht, brauchen aber Lebensmittel. Ich denke, eine Tüte Müsli sollte ausreichen, habe keine Lust auf einen Großeinkauf, ich bin erschöpft, möchte mich in dem Haus auf dem Land an meinem freien Tag ausruhen und an meinen Blog arbeiten.

Wir werden uns nur mit Mühe einig. Hinzu kommt, dass das Haus nicht besonders sauber ist und ich jetzt hier definitiv nicht putzen möchte….

Pigi
Foto: Andrea Koltermann

Meine Kollegin und ich verbringen unser Wochenende in dem großen Haus in Pigi in der Nähe der Berge und an der Grenze zu Makedonien.

Wir sitzen den ganzen Tag im Garten und lauschen dem Plätschern des Baches hinter unserem Haus. Trotz unseres kleinen Konfliktes ist es ein bisschen wie im wie Urlaub hier.

Pigi 2
Foto: Andrea Koltermann

Richtig auf das Schreiben meines Blogs konzentrieren kann ich mich nicht. Ich denke immer wieder an die vielen Menschen im Camp und wie das Leben für sie wohl weitergehen wird. Die politische Situation in Griechenland und auch auf dem Rest der Welt ist zurzeit extrem schwierig. In Griechenland gibt es kaum Arbeitsplätze. Und die Grenzen zu anderen EU-Ländern sind geschlossen. Einreisegenehmigungen gibt es nur in wenigen Ausnahmefällen. Statt Lösungen für die sogenannte Flüchtlingskrise zu finden, wird der Grenzschutz zunehmend verstärkt. Gelegentlich gehen Gerüchte über ein Ende des Krieges in Syrien durch die Medien. Leider sind es Gerüchte. Die Realität ist, dass eine Rückkehr in die meisten Herkunftsländer zurzeit eher den sicheren Tod für die meisten Menschen bedeuten würde.

delikates Abendessen
Foto: Andrea Koltermann

Während ich schreibe und meine Fotos sortiere zaubert meine Mitbewohnerin tolle Gerichte. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Manchmal sind unterschiedliche Interessen doch von Vorteil.

Wie gut es mir geht, denke ich. Weil ich zufällig in einem Land lebe, in dem es zurzeit keinen Krieg gibt, lebe ich sicher. Weil ich in der EU lebe, kann ich ohne Visum in jedes andere EU-Land reisen. Illegal, wie grausam dieses Wort klingt, wie können Menschen illegal sein, frage ich mich. Ist das menschenrechtlich überhaupt möglich illegal zu sein? Nur weil sie in einem Land unter Bedingungen für die sie nichts können geboren sind und leben.

Hilfe für Menschen in einer ausweglosen Situation:
Gehen Sie shoppen in Dråpen I Havets

Online Store

Nea Kavala‚ Tag sechs, Dienstag, 14. August 2018

Mein Terminplan heute

Englisch für Frauen
Wäscherei
Gartenprojekt

Ein Freund hat mich gebeten, das Leben im Camp und die Zukunftsperspektiven der Menschen hier zu beschreiben.

Das Flüchtlingscamp kann man sich wie ein kleines Dorf vorstellen.

Auf einem aufgrund ungünstiger Winde nie in Betrieb genommenen Flughafenrollfeld stehen derzeit etwa 160 Container, in denen jeweils vier bis sechs Personen zusammenleben. Eingerichtet sind die Container mit Schlafplätzen und einer Kochstelle.

Rollfeld Nea Kavala
Foto: Andrea Koltermann

Vor einigen Wochen wurde das Lager um ein großes Zelt ergänzt. Die einzelnen Wohneinheiten sind in Parzellen abgetrennt. Kochstellen gibt es hier nicht. Im Flüchtlingscamp in Nea Kavala leben zur Zeit etwa 750 Personen.

Armeezelt
Foto: Andrea Koltermann

Während ich im Camp ein paar Fotos von der Morgenstimmung mache, spricht ein Mann aus dem Irak mich an. Er erzählt mir, wie schwer es sei, im Camp zu leben. Es sei trostlos hier und die medizinische Versorgung sehr schlecht. Er zeigt mir viele entzündete Mückenstiche an seinen Armen. Seit mehr als zwei Jahren warte er bereits auf seine Papiere, die ihm ermöglichten, das Camp zu verlassen.
Wenn ich wüsste wie, dann würde ich ihm helfen.

Syrische Künstler haben die Fronten der Dusch- und Toilettengebäude angemalt, um ein bisschen Farbe in die triste Welt des Flüchtlingscamps zu bringen.

Waschräume
Foto: Andrea Koltermann

Ich werfe einen Blick in eines der Duschgebäude. Diese werden regelmäßig gründlich gereinigt, sind aber ziemlich schäbig. Die Wasserhähne wackeln und sämtliche Abflussrohre sind undicht. An einer Spüle fehlt das Abflussrohr ganz, sodass das Wasser einfach auf den Boden läuft.

Ein Installateur hätte hier eine Menge zu tun, aber ich habe nie jemanden daran arbeiten sehen. Ich vermute, dass sich niemand dafür zuständig fühlt, dies zu organisieren oder dass schlichtweg das Geld dafür fehlt.

Vielleicht liegt es auch daran, dass das 2015 errichtete Camp nur als Notlösung und nicht für die Dauer gedacht war.

Vermutlich ist auch wegen dieses temporären Gedankens keine einzige Blume im Lager angepflanzt worden.

Women's Space, English class
Foto: Andrea Koltermann

Heute arbeite ich zum zweiten Mal im Womens’s Space. Englisch-Anfängerkurse nur für Frauen werden an sechs Tagen pro Woche angeboten. Die Kurse für die Fortgeschrittenen finden in gemischten Gruppen statt. Leider werden diese nur von wenigen Frauen besucht, da die Männer ihren Frauen den Besuch gemischter Veranstaltungen oft nicht erlauben.

„Ich liebe den Englischunterricht im Women’s Space.“

Am Nachmittag arbeite ich wieder in der Wäscherei. Dies ist einer meiner Lieblingsjobs hier in Nea Kavala. Wie in den vergangenen Tagen kommen immer wieder Leute, vor allem junge Männer zu uns, um sich mit mir und meinen Volunteer-KollegInnen zu unterhalten. Ein junger Syrer versucht über eine Übersetzungs-App in seinem Smartphone mit uns zu kommunizieren. Die Idee finde ich gut, aber die Übersetzungen ergeben oft keinen Sinn.

Treffpunkt Laundry
Foto: Andrea Koltermann

Die klassische Kommunikation mit den Menschen, die wir hier kennenlernen beginnt meist mit Smaltalk. Wie geht es dir? Gut! Und dir? Gut! Wo kommst du her? Wie lange bist du schon hier?

Wenn man die Menschen etwas besser kennt und man eine gemeinsame Sprache zum Beispiel Englisch oder Französisch spricht, dann erzählen die Menschen gern von ihren Familien. Ich erzähle dann auch von meinen beiden erwachsenen Kindern und mir wird jedes Mal wieder bewusst, wie ungerecht es in dieser Welt zugeht.

Ein junger Mann setzt sich neben mich und bittet mich, ihm bei seinen Englisch-Hausaufgaben zu helfen. Die Aussprache richtig zu lernen ist ihm sehr wichtig.

Allmählich fange ich an, die Menschen hier sehr ins Herz zu schließen. Alle sind so herzlich. Es leben viele Kinder hier und sehr viele junge Männer im Alter meines Sohnes.

Hausaufgaben
Foto: Andrea Koltermann

Ich bin mir sicher, dass viele der jungen Männer in Deutschland eine Arbeit finden würden, wenn sie ein Visum hätten. Sie sind alle sehr freundlich, motiviert, haben Zukunftspläne, aber derzeit kaum eine Chance ihrer Situation zu entkommen.

Die großen Unterschiede zwischen den jungen Menschen hier und meinen eigenen Kindern ist, dass meine in Deutschland eine sichere Kindheit hatten und jetzt ihren Lebensweg selbst bestimmen können.

Sibirische Winde sorgen für eiskalte Winter in Griechenland. Unzählige neu auf den Inseln ankommende Flüchtlinge brauchen dringend warme Decken. Bereits 1000 Decken konnten diesen Herbst schon durch Spenden auf folgendes Konto gekauft werden:

 https://www.facebook.com/donate/1959933580764422/10217188784373006/

Nea Kavala, Tag zwei, Freitag, 10. August 2018

Mein Terminplan heute

Treffen aller freiwilligen Helfer
Wäscherei
Gemeinschaftsraum/Sport

Im Team-Meeting heute Morgen besprechen wir das Vorgehen bei eventuellen Notfällen. Unsere Sicherheit hat immer oberste Priorität, selbst wenn das bedeuten würde, dass Gegenstände oder sogar Gebäude zerstört werden könnten.

Community Space
Foto: Isabel Sevé

Bei Konflikten zwischen Bewohnern mischen wir uns niemals ein.

Volunteers sind immer zu zweit an ihren Einsatzorten und via Facebook-Chat mit der ganzen Gruppe in Kontakt, sodass jeder immer weiß, wo sich alle anderen gerade befinden. Polizei und Militär sind rund um die Uhr vor Ort und falls wirklich einmal etwas passieren sollte, würden wir sofort evakuiert werden.

Diese Vorsichtsmaßnahmen scheinen fast schon ein wenig übertrieben, schließlich wirkt hier alles eher ruhig und friedlich, aber so fühlen wir uns auf jeden Fall sehr sicher.

Nach dem Meeting habe ich wieder Dienst in der Wäscherei. Dies ist ebenfalls ein guter Ort der Kommunikation. Oft setzen sich Leute zu uns, weil sie Zeit haben und ein bisschen Unterhaltung suchen.

Laundry Socialising
Foto: Andrea Koltermann

Außer Niederländisch und Deutsch spreche ich mittelmäßiges Englisch und Französisch, aber das sprechen viele der Flüchtlinge nicht. Mir wird wieder einmal bewusst, wie wichtig es ist, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, wenn man verstanden werden will. Arabisch kann ich leider gar nicht, zum Glück aber immer noch fließend Logopädisch. Das ist eine Sprache, bei der man, ohne nachzudenken alles, was an Händen und Füßen, Gestik und Mimik zur Verfügung steht, einsetzt und die jeder versteht. Man braucht noch nicht einmal Mund und Ohren dafür. Meine Kolleginnen im Camp und auch die Flüchtlinge amüsieren sich köstlich darüber.

Doch nicht immer geht es nur um Zeitvertreib und Smalltalk.

Eine junge, fließend Deutsch sprechende Frau bittet uns um Hilfe für ihren Mann. Obwohl er kein Flüchtling sei, sondern mit ihr gemeinsam in Deutschland wohne und dort auch arbeite, sei er von der Polizei nach Nea Kavala gebracht worden. Nach einem Unfall auf der Rückreise aus der Türkei habe er schwere Verletzungen und offene Brandwunden. So sei er nicht reisefähig und sein Visum für die Wiedereinreise nach Deutschland müsse er persönlich in der mehr als 530 km entfernten deutschen Botschaft in Athen beantragen. Im Krankenhaus habe man ihn wieder weggeschickt, weil er weder einen griechischen Pass noch eine Aufenthaltsberechtigung vorweisen konnte.

Seine Frau bittet uns darum, seine Bettlaken mit 90 Grad waschen zu dürfen statt mit dem sonst üblichen 40 Grad Buntwaschprogramm, was wir in diesem Fall natürlich sofort einplanen können.

Eine gemeinsame Sprache verbindet!

Das junge Paar hat Glück, dass es im Camp eine ehrenamtlich arbeitende ehemalige Lehrerin gibt, die sich unentgeltlich um Menschen in besonderen Situationen kümmert. Nach einer erklärenden E-Mail an die Deutsche Botschaft heißt es jetzt erst mal abwarten. Ich hoffe für den jungen Mann, dass er auch ohne ärztliche Hilfe durchkommen wird. Besuchen darf ich ihn persönlich nicht.

Irgendwie fühle ich mich den beiden seltsam verbunden, obwohl ich sie gar nicht kenne. Vermutlich, weil sie in Deutschland leben und wir dieselbe Sprache sprechen.

Basteln und Malen
Foto: Andrea Koltermann

Am Nachmittag arbeite ich im Gemeinschaftsraum. Auf dem Programm stehen Gesellschaftsspiele und Basteln für Kinder und am späteren Nachmittag Sport für die Erwachsenen.

Ich erschrecke, wie schwer es für die Kinder ist, sich auf ein Kartenspiel zu konzentrieren. Auch das Spielen mit Bausteinen ist für viele schwer auszuhalten, obwohl sie nicht ungeschickt sind. Mir wird bewusst, dass diese Kinder in den letzten Jahren, statt spielen zu lernen Krieg erlebt haben. Da gab es sicherlich keine Kartenspiele und vermutlich hätte niemand die Ruhe gehabt, ihnen so etwas beizubringen.

Baby malt
Foto: Andrea Koltermann

Überrascht hat mich hingegen ein kleines einjähriges Mädchen. Ein Junge setzt mir die Kleine einfach auf den Tisch, auf dem wir gerade Masken basteln. Das Mädchen malt mit einer Stifthaltung, die für einen fünfjährigen lobenswert gewesen wäre, ganz konzentriert große Kreise auf das Papier.

Jetzt ist meine Konzentration gefragt. Eigentlich wollte ich ja aufpassen, dass die Aufkleber, mit denen die Masken verziert werden sollten, als erst als Belohnung fürs Basteln herausgegeben werden. Zu spät, die Alibabas, wie die Jungen sich gerne nennen, haben diese schon stibitzt.

Vier Alibabas und die Aufkleber
Foto: Andrea Koltermann
Tanzen vor dem Drop Shop
Foto: Andrea Koltermann

Abendstimmung in Nea Kavala. Flüchtlinge und Volunteers tanzen vor dem Drop Shop.