Wieder zu Hause, Freitag, 24. August 2018

Nach 15 Tagen in einer völlig fremden Welt verbringe ich die erste Nacht in meinem eigenen zu Hause. Ich habe eine Welt erlebt, in der Menschen nichts zu sagen haben, selbst kaum Entscheidungen treffen dürfen. Nicht gehört werden. Menschen, die ein Leben leben, das von Angst und Sorge geprägt ist. Menschen, die verzweifelt sind, nicht wissen, wie es weiter geht. Menschen, die in dem Land, in dem sie sich derzeit aufhalten, als illegal bezeichnet werden, die nicht wissen, wie lange sie an dem Ort bleiben können, an dem sie sich wenige Wochen sicher gefühlt haben. Flüchtlingscamps werden aufgebaut und wieder abgerissen. Menschen werden aufgenommen und wieder weggeschickt. Die Kriterien nach denen dies geschieht unterliegen meiner Ansicht nach reiner Willkür. So habe ich es vor Ort erlebt.

Foto: Isabel Sevé

Wir in unserer Luxus-Welt können doch unser Leben planen, so wie wir es wollen. Jammern, wenn mal ein Wasserhahn tropft, die Heizung ausfällt, die Waschmaschine kaputtgeht. Was sind das für unterschiedliche Lebenssituationen?

Ich habe die Welt der geflüchteten Menschen, so möchte ich sie fortan bezeichnen, als Menschen, nicht als …linge. Ich habe diese Welt im Sommer kennengelernt. Ich habe einen Abschnitt des Lebens dieser Menschen kennengelernt, in dem sie nach einer langen Zeit der Angst und der Entbehrungen wieder ein Dach über dem Kopf, genug Kleidung und Nahrung zur Verfügung hatten, zunächst einmal für unbestimmte Zeit. Vom Krieg, von der Flucht aus ihrem Heimatland, von der Überfahrt mit einem unsicheren Boot habe ich sie nur erzählen hören. Vor allem die Kinder und die jungen Männer, die recht gut Englisch konnten, haben darüber gesprochen.

Was wird aus all diesen netten Familien werden und aus den vielen jungen Männern, die Ihre Eltern und Geschwister zurückgelassen haben? Ich habe sie ins Herz geschlossen. Eine Rückkehr in ihre Heimatländer ist für die Menschen in Nea Kavala derzeit keine Option.

Werden sie jemals die Chance erhalten, in einem anderen, für sie sicheren Land zu leben? Werden sie Arbeit haben und sich ein eigenes selbstbestimmtes Leben aufbauen? Werden die Kinder eine Chance auf Bildung haben, für mehrere Jahre eine Schule besuchen, Berufe erlernen. Werden die vom Krieg traumatisierten Menschen jemals ihre Erlebnisse überwinden? Kinder, die Krieg erlebt haben, dem Krieg entflohen sind, Krieg gespielt haben. Junge Männer, die als Soldaten gekämpft haben, knapp dem Tod entronnen sind, vielleicht sogar selbst im Krieg gezwungen waren, Menschen zu töten, werden diese Menschen jemals ein Leben in Ruhe und Frieden führen können. Und wie wird es in unserer doch noch recht sicheren westlichen Welt weitergehen?
Viele dieser Fragen bewegen mich sehr.
Ich bin froh wieder zu Hause bei meiner Familie zu sein, in meinem eigenen Bett zu schlafen. In Griechenland habe ich sehr unruhig geschlafen. Die vielen ungelösten Fragen in meinem Kopf hatten mir die Ruhe genommen.

Ich glaube, dass ich in den letzten zwei Wochen eine gute Arbeit geleistet habe. Mehr als ein Tropfen im Ozean ist es nicht, aber ist nicht jeder Ozean aus vielen, ja aus Abermillionen Tropfen entstanden?

Blog
Foto: Patrick Heinz

Wieder hier im sicheren Hafen frage ich mich, ob ich andere wichtige Dinge für die Menschen dort tun kann? Medizinische und therapeutischen Hilfe zu organisieren wäre ganz wichtig. Und Spendengelder sammeln, damit die Hilfeleistungen von Organisationen wie Dråpen i Havet überhaupt finanzierbar sind.
Werde ich wieder nach Griechenland gehen, im Winter, oder im kommenden Sommer? Der Aufenthalt hat mich viel Kraft gekostet, er hat mir aber auch sehr viel gegeben.

Mein Kopf ist voller Gedanken.

  • Werde ich helfen, neue Camps in Griechenland aufzubauen.
  • Oder ist es sinnvoller, Flüchtlingsprojekte in Deutschland zu unterstützen?
  • Habe ich die Erfahrung nur für mich gemacht, für mein Privatleben oder für meine Arbeit?
  • Wieviele Menschen gibt es hier bei uns im Land, einem Land, in dem es uns gut geht, doch wieviele Menschen gibt es hier, die nicht gehört und verstanden werden
  • Soll ich Infoveranstaltungen für an der Volunteerarbeit interessierte Personen unterstützen?

  • Zunächst einmal will ich alle meine Erfahrungen der letzten 15 Tage in einem Blog zusammenschreiben, um diese mit der Welt, in der ich das Glück habe leben zu dürfen, zu teilen.

Wer helfen möchte, wende sich gerne an mich, an Dråpen i Havet oder unterstütze eine der laufenden Spendenaktionen, die ich regelmäßig auf meiner Facebookseite anwerbe.

Andrea Koltermann
Tulpenweg 40
41569 Rommerskirchen
info@andrea-koltermann.de
+49 2183 2336918

 

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