Nea Kavala, Tag vierzehn, Mittwoch, 22. August 2018

Mein Terminplan heute

Englisch für Frauen
Check out im Drop Shop
Gartenprojekt

Ein kleiner kleine Junge hat uns vor einigen Tagen erzählt hat, er würde am kommenden Tag allein nach Belgien zu seinem Onkel und seiner Tante umziehen. Noch ist er hier im Camp. Er erzählt mir, er warte noch auf seinen Pass, dann müsse er weg, aber vielleicht würde er ja doch hierbleiben. Er wirkt traurig. Englisch spricht er ein wenig, Französisch überhaupt nicht. Meine Frage, ob er seinen Onkel, zu dem er ziehen soll überhaupt kennt, versteht er nicht.

Spielplatz
Foto: Andrea Koltermann

Auf dem großen Gemeinschaftsplatz finden sich viele Menschen zusammen.

Militär und Feuerwehr praktizieren eine Feuerlösch-Übung und alle Bewohner und Volunteers dürfen daran teilnehmen. In einem Grill wird ein Feuer entfacht und wer möchte, darf den Pulver-Feuerlöscher ausprobieren. Die Kinder haben ihren Spaß bei der Sache.

Ich bin froh, dass diese Übung stattfindet, weiß ich doch aus dem Erlebnis der vergangenen Woche, wie sehr die Menschen hier sich davor fürchten, wieder alles was sie besitzen zu verlieren.

Commuinty Space
Foto: Andrea Koltermann

Im Englischkurs treffe ich Mutter und Tochter, die ich am Tag zuvor in ihrem Container besucht hatte, wieder. Sie sind beide hoch motiviert und geben ihr Bestes. Es tut mir gut, ihre Fortschritte zu beobachten, habe ich mich doch in den vergangenen Wochen so oft gefragt, ob mein ganzer Einsatz hier überhaupt irgendeinen Sinn ergibt.

Heute ist mein vorletzter Tag in Nea Kavala. Ich habe Mittagpause. Ein junger Mann aus Syrien setzt sich zu mir. Dass es ihm nicht gut geht, ist deutlich zu sehen. Er habe Schmerzen, sagt er mir und zeigt mir ein paar seltsame Vernarbungen an Armen und Beinen. Soweit ich ihn verstehe, sind das Folgen von Folterei während eines einjährigen Gefängnisaufenthaltes. Seit fünf Wochen sei er jetzt hier, aber im Camp würde sich kein Arzt um ihn kümmern.

Werden die Menschen hier jemals im Leben eine Chance erhalten? Werden Sie die Möglichkeit haben, ein neues Leben zu beginnen? Irgendwo anders? Oder werden sie für den Rest ihres Lebens Flüchtlinge bleiben, ohne ein Zuhause? Wird Nea Kavala entgegen der Planungen zu einem Dauer-Camp werden? Werden die Menschen sich daran geöhnen hier zu leben? Oder wird das Camp einfach irgendwann geräumt werden, das Gelände für anderes genutzt und die Menschen sich selbst überlassen, als Illegale, ungewünscht, vergessen?

Herrenfriseur
Foto: Andrea Koltermann

Einige Flüchtlinge haben bereits ihr eigenes Business im Camp aufgebaut.

Gartenprojekt
Foto: Andrea Koltermann

Abends bei Gartenworkshop sehe ich erschrocken, wie ein ca. fünfjähriger Junge mit einem Spielzeug-Maschinengewehr über das Gelände läuft. Erst richtet er das Gewehr auf irgendetwas anderes, dann auf die spielenden Kinder. Niemanden hier scheint das zu stören.

Meine Volunteer-Kollegin erzählt mir, die Mutter habe dem Jungen das Gewehr geschenkt.

Menschen
Foto: Andrea Koltermann

Ich werde die Kinder und ihre Familien sehr vermissen.

Taube
Foto: Andrea Koltermann

In Nea Kavala zu leben, gibt den Menschen zunächst einmal die Möglichkeit, sich nach vielen Jahren von Krieg und Gewalt für eine Zeit lang sicher zu fühlen.
Fraglich ist nur wie lange?

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